Mehr Bling im wissenschaftlichen Publizieren

By | 25. September 2025

Warum ruft der FID Media Bibliotheken auf, zwei medienwissenschaftliche Open-Access-Buchpakete gemeinschaftlich zu finanzieren?

Wir fangen mit einem Bestseller an: „Spiel*Kritik. Kritische Perspektiven auf Videospiele im Kapitalismus“, herausgegeben von Thomas Spies, Şeyda Kurt und Holger Pötzsch. Das Thema trifft offenbar den Nerv der Zeit und interessiert viele. Die Herausgeber:innen stellen kritische Perspektiven auf vorherrschende Wahrnehmungen sowie die Produktion und Nutzung von Videospielen zusammen. Der Titel kam im März 2024 heraus und wurde bis jetzt knapp 20.000-mal aufgerufen.

Das Buch ist im transcript Verlag im Open Access erschienen. Alle Personen – ob an der Universität Leipzig oder nicht – können es im Internet ohne Zugangsbeschränkungen lesen und Inhalte nachnutzen. Für solches offenes Publizieren hat der Verlag aus Bielefeld eine große Expertise. Titel seines medien-, kommunikations- und filmwissenschaftlichen Programms bündelt er dafür in der Open Library Medienwissenschaft.

Beteiligen Sie sich an der
Open Library Medienwissenschaft!
Noch bis zum 30.09.2025

Beteiligen Sie sich am
KOALA-Bundle Medienwissenschaft!
Noch bis zum 07.10.2025

Dazu drei kleine Ergänzungen: Von „Buch“ dürfen wir hier durchaus sprechen. Auch wenn Open-Access-Publikationen ausschließlich digital erschienen. Schließlich verstehen verschiedene Definitionen dieses Medium losgelöst von seinem Träger.

Der zweite Nachtrag: Wiederum nicht ganz korrekt ist der Begriff Bestseller. Denn verkauft wird die Online-Ausgabe gar nicht. Passender wäre, von Best-Accessed zu sprechen. Gemessen werden die Zugriffszahlen. Diese sagen zwar nebenbei bemerkt nichts über die tatsächliche Rezeption aus. Aber sie sind doch in der Lage, ein Publikumsinteresse zu quantifizieren und inhaltliche Trends anzuzeigen. So wie das bei klassischen Bestsellerlisten eben auch ist.

Und der dritte Nachtrag: „Spiel*Kritik“ ist nicht nur Open Access erschienen, sondern sogar Diamond Open Access.

Was hat das mit Diamanten zu tun?

Das Besondere an „Spiel*Kritik“ und seinen Buchkollegen aus der Open Library Medienwissenschaft ist ihre Finanzierungsart: Diamond Open Access, kurz DOA. Diamant meint einen Spezialfall des goldenen Open Access. Beim DOA entstehen sowohl für Lesende als auch für Publizierende für die Erstveröffentlichung keine Kosten, sei es eine Monografie, in einer Zeitschrift oder einem Sammelband. Strenge Verfechter:innen von Open Access verstehen ihn zusätzlich als nicht-kommerziell und scholar-owned. Genaueres zum Diamant-Weg sowie zu dessen verschiedenen Definitionen kann man beim open-access.network nachlesen.

So oder so, im Publikationsprozess fallen durchaus Kosten an, wenn ein Buch das Licht der Welt erblicken soll. Das macht nicht nur den Autor:innen viel Mühe, sondern kostet auch Geld beispielsweise für die redaktionelle Betreuung, das Marketing und das Hosting. Für diese Workflows und die Einbettung in ein passendes inhaltliches Programm haben Verlage eine traditionelle Expertise. DOA-Publikationen werden daher manchmal auch mit Verlagsbeteiligung realisiert.

Die Wege des Open-Access-Publizierens und seine Bedingungen. Quelle: https://www.nwo.nl/en/open-access-publishing

Im Diamond Open Access werden die Kosten eines Buches meist über Crowdfunding finanziert. Die Crowd können Bibliotheken sein, aber auch andere wissenschaftliche Einrichtungen, Stiftungen, Unternehmen und sogar Privatpersonen. Sie bilden ein sogenanntes Konsortium, das die Veröffentlichung ermöglicht. Sobald sich genügend Einrichtungen beteiligt haben und das finanzielle Ziel erreicht wurde, werden die Bücher frei zugänglich gemacht. Das Crowdfunding ist allerdings nur erfolgreich, wenn eine Mindestteilnehmerzahl bzw. ein Mindestbetrag zusammenkommt.

Diamond Open Access als Spezialfall des goldenen Open Access birgt viele Potenziale. Ganz frisch eingerichtet wurde kürzlich die Servicestelle Diamond Open Access (SeDOA). Sie verteilt sich auf mehrere Einrichtungen und soll Diamond-Open-Access-Publizieren in Deutschland auf struktureller Ebene effizienter machen. Denn es gibt inzwischen eine Vielzahl an Projekten, die konsortiale Modelle entwickeln, so auch der FID Media. Eines davon ist KOALA. Und so kommen wir von der Schmuckschatulle und den Diamanten im Tierreich an.

KOALA-Bundle Medienwissenschaft

Was die niedlichsten australischen Assoziationen weckt, steht als Akronym für das Modell Konsortiale Open-Access-Lösungen Aufbauen. KOALA wurde durch die Technische Informationsbibliothek (TIB) Hannover und das Kommunikations-, Informations-, Medienzentrum (KIM) der Universität Konstanz entwickelt. Auch hier greift eine gemeinschaftliche Finanzierung für Open-Access-Zeitschriften und -buchreihen ohne Kosten für Autor:innen. In KOALA wurden mehrere fachliche Zeitschriften-Bundles entwickelt. Teilweise werden sie jetzt von anderen Einrichtungen fortgeführt.

Dazu gehört das medienwissenschaftliche Paket, das der FID Media seit diesem Jahr organisiert. Es besteht aus zwei Schriftenreihen aus dem Büchner-Verlag:

Die aktuelle Fundingphase läuft noch bis 7. Oktober 2025. Hier wird die Finanzierung für die kommenden drei Jahre gesammelt. Alle Informationen zum Konsortialangebot finden Sie hier, im Diamond Funding Navigator oder im bibliothekarischen Electronic Resource Management System LAS:eR.

Open Library Medienwissenschaft

Die aktuelle Fundingphase für die Open Library Medienwissenschaft, kurz OL Mewi, läuft noch bis 30. September 2025. Dazu finden Sie hier genauere Informationen.

Einer der neuen Titel der Open Library Medienwissenschaft Frühjahr 2025
Ebenfalls Best-Accessed: Videospiele und ihr atmosphärisches Potenzial aus der OL Mewi von 2022 mit rund 15.000 Zugriffen.
Sozialismus im Kino, Open Access seit Herbst 2024.

Der Bielefelder transcript Verlag bietet die OL Mewi nun schon im vierten Jahr an. In dieser Kollektion werden bis Ende 2025 Dank konsortialem Crowdfunding insgesamt rund 60 Titel im Open Access erschienen sein. Das Modell war bereits erprobt in der Open Library Politikwissenschaft, ein Leuchtturm-OA-Projekt, das Schule machte. Diese Kollektion erscheint nun bereits im achten Jahr und sorgte für über 300 OA-Publikationen im Bereich Politikwissenschaft.

Ein Jahrespaket der OL Mewi besteht momentan aus zehn Titeln. Sie erscheinen wie im Verlagswesen üblich zur Hälfte im Frühjahrs- und im Herbstprogramm. Über die Zusammenstellung entscheidet eine Fachjury. Diesem Editorial Board gehört auch der FID Media an. Das Gremium wählt aus den geplanten Buchprojekten im Bereich Medien-, Kommunikations- und Filmwissenschaft die Titel für das Paket aus. Das Ziel des Verlags ist es, mit Crowdfunding ganze Fachkollektionen zu öffnen.

Die Zugriffszahlen von transcript belegen, dass OA-Publikationen eine enorme Reichweite haben. Die Titel werden jährlich durchschnittlich weit über 2.000-mal aufgerufen.

Warum ist Diamond Open Access toll? Die Vorteile für Autor:innen

In der Regel müssen wissenschaftliche Autor:innen Gebühren zahlen, damit ein Verlag ihr Buch Open Access publiziert. Damit werden die Unkosten der Herstellung gedeckt. Häufig gibt es hierfür Unterstützung aus der eigenen Institution oder Förderungen – im schlimmsten Fall müssen Autor:innen aber den privaten Geldbeutel anzapfen. Dieser Zuschuss zum Buch vonseiten der Autor:innen entfällt bei Diamond Open Access. Die entstehenden Kosten werden komplett durch das Crowdfunding finanziert.

Ein weiterer Pluspunkt, den Open Access grundsätzlich mit sich bringt: Forschungsergebnisse stehen der gesamten Gesellschaft zur Verfügung und können durch die eigenen wissenschaftlichen Bubbles hindurchdiffundieren. Erwiesenermaßen liegt die absolute Nutzung von Open-Access-Publikationen höher als die von Printausgaben. Autor:innen erreichen aber nicht nur ein größeres, sondern auch ein diverseres Lesepublikum, das von einer Vielzahl an Nutzungsarten Gebrauch macht.

Warum ist Diamond Open Access toll? Aus Sicht der Bibliotheken

Die Publikationen, die für Diamond Open Access vorgesehen sind, werden zu sogenannten Paketen zusammengefasst, die fachlich zueinander passen. Solche Pakete bieten Verlage Bibliotheken schon lange an. Das Geld dafür geben die Einrichtungen aus, um die Publikationen den eigenen Nutzenden zur Verfügung stellen zu können, manchmal sogar nur für einen begrenzten Zeitraum.

An dieses Modell schließt das Prinzip von Crowdfunding für die Finanzierung von Diamond Open Access an. Allerdings mit dem großen Unterschied: Das Geld wird in Open Access investiert und die Finanzierung kommt nicht nur der eigenen Einrichtung zugute, sondern allen.

Zu beachten ist, dass die Pakete unterschiedliche Laufzeiten haben. Die Finanzierung der OL Mewi deckt das Erscheinen medienwissenschaftlicher Titel für ein Jahr ab, die Finanzierung des KOALA-Bundles Medienwissenschaft von zwei Jahrbüchern im Zeitraum von drei Jahren.

Dr. Adriana Slavcheva,
Open-Access-Referentin
der Universitätsbibliothek Leipzig

Diamond Open Access stellt eine nachhaltige Alternative zu herkömmlichen, auf Publikationsgebühren basierenden Open-Access-Geschäftsmodellen dar und ermöglicht insbesondere Autor:innen ohne Zugriff auf institutionelle Förderung einen gleichberechtigten Zugang zum OA-Publizieren. Die kooperative, solidarische OA-Finanzierung sollte daher konsequent in die Erwerbungspolitik der Universitätsbibliotheken einbezogen werden.
Dass Fachinformationsdienste wie der FID Media diese Entwicklung unterstützen, hilft sehr dabei, die OA-Transformation in einzelnen Fächern voranzutreiben.

Der Zeitraum, in dem Einrichtungen melden, ob sie ein Paket mitfinanzieren möchten, nennt man Pledging. Sowohl für die Open Library Medienwissenschaft als auch für das KOALA-Bundle Medienwissenschaft schließen sich jeweils gut 40 Bibliotheken zusammen. Sie bilden das Konsortium, das die Bücher finanziert.

Wieviel eine Einrichtung zahlen muss, hängt vom jeweiligen Crowdfunding-Modell ab. In der Regel sind die Beteiligungen so kalkuliert, dass große Einrichtungen eine größere Summe beitragen als kleinere Einrichtungen. Finden sich insgesamt mehr Teilnehmende als nötig, sinken bei manchen Modellen sogar die Kosten für alle, die mitmachen.

Grundlegend sind auch die Open-Access-Standards, die bei den Modellen jeweils gelten. Sie beziehen sich auf die Nutzungsrechte, die Lizenzarten, aber auch auf Metadaten und die Qualitätssicherung.

FID Media & Community-geleiteter Diamond Open Access

Der FID Media macht sich als Fachinformationsdienst für die Kommunikations- und Medienwissenschaft dafür stark, das Open Access im Bereich seiner Community zu verankern. Er sieht seine Aufgabe darin, die Open-Science-Transformation in den kommunikations- und medienwissenschaftlichen Disziplinen voranzutreiben und zu fördern. Dazu gehört es, den Zugang zu Forschungspublikationen zu verbessern und Forschungsergebnisse unter fairen Bedingungen weltweit und nachhaltig sichtbar zu machen.

Diese Aktivitäten bündelt der Fachinformationsdienst unter dem Angebot FID Media Publish. Hier finden Nutzende vielfältige Publikationsdienstleistungen. Dazu gehört das Repositorium des FID, das sich für Erst- und Zweitveröffentlichungen anbietet, aber auch die Servicestelle Urheberrecht, die zu rechtlichen Fragen rund um das Publizieren mit Rat zur Seite steht. Ebenso unterstützt der FID die Digitalisierung historisch wertvoller Bestände. Und er organisiert Diamond Open Access für fachwissenschaftliche Publikationen, wie dieser Beitrag ausgeführt hat.

Schließlich sei noch ein kleiner Blick in die Zukunft geworfen: Für das kommende Jahr plant der FID Media, im Rahmen seines Pledging-Services ein weiteres Diamond-Open-Access-Bündel zu schnüren, nämlich für Zeitschriften der Kommunikations- und Medienwissenschaft.

Der Beitrag erscheint parallel im Blog der Universitätsbibliothek Leipzig, die den FID Media gemeinsam mit der Universitätsbibliothek und dem Institut für Medienwissenschaft der Philipps-Universität Marburg bereitstellt.